„Übergänge gestalten und begleiten!“
An vielen Schulen finden am Beginn oder Ende eines Schuljahres Schulgottesdienste statt. Oftmals nehmen daran auch die nichtchristlichen Schüler*innen teil. Bettina Wittmann-Stasch, Dozentin für Schulseelsorge am Religionspädagogischen Institut Loccum (RPI) beschreibt im Interview, wo die größten Chancen und die größten Hürden liegen.
Warum sind Schulgottesdienste für die Schulgemeinschaft wichtig?
Bettina Wittmann-Stasch: Die Schule ist Lernort und Lebensort zugleich. Gottesdienste zur Einschulung und auch zum Abschluss der Schulzeit sind deshalb immer eine große Chance für die gesamte Schulgemeinschaft. So werden Übergänge auch rituell begangen und gestaltet. Wer einmal an einer solchen Feier teilgenommen hat, weiß, wie sehr sie den Gemeinsinn einer Schule stärken kann. Vor allem dann, wenn die Planung und die gesamte Vorbereitung gemeinsam – und wo es geht, auch multireligiös – geschieht. Das ist dann die große Chance für ein neues Miteinander an der Schule: Keine*r wird ausgeschlossen, alle sind eingeladen und feiern zusammen.
Einschulungsgottesdienste sind inzwischen üblich. Gibt es weitere Anlässe, zu denen sich ein Schulgottesdienst anbietet?
Bettina Wittmann-Stasch: Aus meiner Sicht auf jeden Fall: An kirchlichen Feiertagen wie Erntedank, Reformationstag, Weihnachten oder Ostern werden an manchen Schulen traditionell Schulgottesdienste gefeiert. Das sind dann fröhliche und bunte Anlässe, manchmal verbunden mit Aktionen wie „Backen für Brot für die Welt“ oder mit Eiersuchen auf dem Schulhof. Aber auch bei Todesfällen im Kollegium oder im Kreis der Schüler*innen liegt es nahe, gemeinsame Formen des Abschieds zu finden. Ein Trauergottesdienst gehört oft dazu – und hilft, aus der Erstarrung herauszukommen und die Sprachlosigkeit zu überwinden. Zurück ins Leben zu finden, den Alltag wiederzufinden sind wichtige gemeinsame Schritte, die ein Trauergottesdienst an der Schule unterstützt. Ganz aktuell haben an vielen Schulen vor Ostern auch Friedensgebete stattgefunden – zum Teil auf Deutsch, Russisch und Ukrainisch zum Zeichen der Verbundenheit.
Wo sehen Sie bei Gottesdiensten in der Schule oder mit Schüler*innen die größten Chancen? Wo die größten Hürden?
Bettina Wittmann-Stasch: Mitarbeitende zu gewinnen unter den Lehrpersonen ist wichtig, damit sich die Aufgaben und Verantwortlichkeiten teilen lassen. Grundentscheidungen sind wichtig: Kirche oder Aula beziehungsweise Mensa? Spricht man den*die Gemeindepastor*in an? Gibt es Kolleg*innen, die gemeinsam die Vorbereitungen mit einer oder mehreren Lerngruppen angehen? Wer macht Musik – die auch von der Zielgruppe mitgetragen wird? Wann findet der Gottesdienst statt – so, dass er möglichst von allen besucht werden kann? Und wer beaufsichtigt die Schüler*innen, die nicht teilnehmen? Es ist wichtig, dass solche organisatorischen Fragen das Vorhaben nicht noch sprengen.
Schulgottesdienste sind ja nun typisch „christlich“. Was machen denn die nichtchristlichen Schüler*innen in der Zeit?
Bettina Wittmann-Stasch: Am schönsten wäre es, sie dazu zu gewinnen, in aller Offenheit mitzufeiern – es geht ja nicht ums Missionieren, sie müssen Texte nicht mitsprechen und Lieder nicht mitsingen können, um was davon zu haben. Manchmal habe ich auch gehört, dass Schüler*innen, die nichtreligiös sind, dennoch dabei sein wollten, weil es ja die eigene Klasse, die eigene Schule oder Freund*innen sind, die da was miteinander auf die Beine stellen. Gute Erfahrungen haben wir an meiner alten Schule damit gemacht, am Freitag in der 5. und 6. Stunde einen solchen Gottesdienst zu feiern. Da war das „Aufsichtsproblem“ in der Regel leicht zu lösen, weil dann gehen konnte, wer nicht teilnehmen wollte. Und trotzdem haben in meiner BBS fast 1.000 Schüler*innen mitgefeiert – Muslime genauso wie Nichtreligiöse.
Die Fragen stellte Dr. Michaela Veit-Engelmann, am RPI zuständig für Öffentlichkeitsarbeit