Geld und Wirtschaft: Was denken Kinder dazu?

Von Gerlinde Krehn

 

Für viele Kinder ist Geld sicherlich ein Thema, das in ihrem Lebensumfeld eine Rolle spielt: Wie viel Taschengeld bekommen andere Kinder? Wie bekomme ich Geld, um mir einen Wunsch zu erfüllen? Wer darf wofür Geld ausgeben? Manche Familien stellt sich auch die Frage, ob und wofür das Geld, das zur Verfügung steht, reicht. Selbst wenn das Thema nicht explizit zur Sprache kommt, spüren Kinder, wie es um die jeweilige finanzielle Situation bestellt ist, beschäftigen sich mit ihren Eindrücken und ziehen ggf. Schlüsse, die aus der Perspektive Erwachsener nie in den Blick gekommen wären und vielleicht sogar abwegig sind. 

Der Umgang mit dem eigenen Taschengeld ist für viele Kinder eher gewohnt, aber die Einordnung in einen größeren Zusammenhang und die Wahrnehmung vielfältiger Aspekte im Kontext von Geld, Wert und Handel fällt vielen Kindern eher schwer. Aber welches Verständnis haben Kinder eigentlich vom Thema Wirtschaft?

Das Beispiel eines Projekts in einer bayerischen Grundschule führt eindrücklich vor Augen, dass Kinder durchaus wirtschaftliche Aspekte in den Blick nehmen und Begründungen für die Kriterien des eigenen Handelns benennen können: Kürzlich wurde zum ersten Mal ein Schulflohmarkt von und für Kinder organisiert, bei dem die Kinder den Umgang mit Geld üben konnten. Sie hatten die Aufgabe, die Waren für den Verkauf selbst auszusuchen, die Preise festzulegen und ihre Waren für den Verkauf zu präsentieren. Es zeigten sich sehr verschiedene Beweggründe für die Preisgestaltung. Die Bandbreite reichte bei Erstklässlern von: „Ich mache die Preise hoch, weil ich viel verdienen will”, bis hin zu: „Ich mache die Preise niedrig, weil sich das alle leisten können sollen und dann mehr verkauft werden kann.” Vorstellungen zu Wirtschaft und Geld zeigten sich hier also durchaus bei jungen Grundschulkindern, wenn auch fraglich bleibt, ob sie die Vielfalt möglicher Begründungsaspekte beachten und ihr Handeln differenziert reflektieren können. Im Sinne einer Didaktik, die Kinder als eigenständig denkende Menschen wahr- und ernst nimmt, könnte es interessante Ergebnisse liefern, mit Kindern offene Gespräche zum Themenbereich Geld und Wirtschaft zu führen.

Im Folgenden wird der Versuch vorgestellt, mit einer Kindergruppe ein entsprechendes Gespräch zu führen und sie in der Entwicklung eigenständiger Gedanken zu fördern. Schon der Zugang soll implizieren, dass jeder Gedanke wichtig ist und zum Weiterdenken am Thema hilfreich sein kann.
In der entsprechenden Religionsgruppe der 4. Klassen sitzen 25 Kinder aus drei Klassen: 14 Mädchen und elf Jungen. Die Kinder haben im Unterricht bisher kein theologisches oder philosophisches Gespräch in dieser Gruppe und in dieser Form geführt. Mindestens ein Kind kennt die Gesprächsform aus dem Kindergarten.

 


Einstieg in das Thema und das Gespräch

Zur Annäherung an das Thema „Geld” entsteht an der Tafel eine gemeinsam entwickelte Gedankenkarte, um Gedanken der Kinder festzuhalten und zu visualisieren (M 1).

Der Einstieg in das Gespräch erfolgt mit einem Gedankenexperiment, in der eine aktuelle Situation aufgenommen und den Kindern als Herausforderung angeboten wird. Da das beschriebene Gespräch kurz nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 stattfindet, werden die Kinder angeregt, sich in die Situation eines Finanzministers zu versetzen: „Am Sonntag wurde in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Und das Ergebnis ist, dass es andere Mehrheiten gibt und eine neue Regierung gebildet wird. Dann wird es auch wieder einen Finanzminister geben. Dafür gibt es einen Bewerber, der eine neue Idee umsetzen möchte. Die Idee: in Deutschland gibt es künftig ein Bankkonto für alle. Alle Menschen zahlen dort das Geld ein, das sie verdienen und das gehört dann allen gemeinsam. Jede und jeder darf sich den Betrag von dem Konto nehmen, den sie oder er zum Leben braucht.“

Vor dem Start des Gesprächs wird der Rahmen gesteckt, so dass die Kinder mehr Sicherheit gewinnen und auch wissen, dass man Gedanken äußern, aber auch zuhören darf. Außerdem wird ein Wuschelball als Zeichen für den Redenden eingeführt und das Signal für das Ende wird bekannt gegeben. Der zeitliche Rahmen des Gesprächs wird je nach Verlauf und Möglichkeit individuell von der Lehrkraft festgesetzt. Am Ende steht weder ein Kommentar noch eine Zusammenfassung der Lehrkraft. Die Lehrkraft nutzt eine Sanduhr, z. B. mit fünf Minuten, und dreht sie um, wenn das Gespräch noch diesen Zeitraum einnehmen soll.

Regeln für das Gespräch:

  • Wir nutzen einen Gesprächsball, der das Zuhören erleichtert. Der Ball geht nach jeder Äußerung an die Gesprächsleitung zurück.
  • In dem Gespräch darf alles gesagt werden, was gedacht wird. Es geht nicht um „Richtig“ und „Falsch“, sondern um den Austausch der Gedanken.
  • Jede und jeder darf sagen, was gedacht wird, aber man muss sich nicht äußern, sondern darf für sich mitdenken.
  • Kurz vor Ende des Gesprächs wird die Sanduhr umgedreht, um den Schluss zu signalisieren.
     

Das Gespräch (M 2) endet mit einer Daumenreflexion über die eigene Verantwortung für das Gespräch. Alle Kinder schließen die Augen und zeigen nach jeder von der Lehrkraft vorgetragenen Aussage mit einem Daumen in die Höhe, waagerecht oder nach unten. Folgende Aussagen haben sich als hilfreich erwiesen:

  • Ich habe gut zugehört.
  • Ich war auf meine Art beteiligt.
  • Das Gespräch war interessant.
  • Ich habe etwas Neues entdeckt.
     


Erkenntnissicherung

Im Anschluss sollen die Kinder sich noch einmal bewusster mit ihren Gedanken und gewonnenen Einsichten beschäftigen. Zunächst darf sich jedes Kind in einer Blitzlichtrunde äußern.
In dieser Gruppe äußern viele Kinder die Meinung, dass das Experiment nicht funktionieren kann. Aber welche Erkenntnis nehmen die einzelnen Kinder aus dem Gespräch mit? Um sie zum weiterführenden Denken anzuregen und den Bezug zum Alltag herzustellen, fordere ich sie auf, einen Brief an den neuen Finanzminister zu formulieren. In dieser Gruppe ist es für die Mehrheit der Kinder wichtig, dass der Brief nicht abgeschickt wird. Nur zwei Kinder würden ihren Brief tatsächlich gern an den zukünftigen Minister leiten. Deshalb vereinbaren wir, dass der Minister nur als fiktiver Adressat angesprochen werden soll (M 3).
Im Gespräch und in den Briefen zeigen sich verschiedene Themenaspekte, die den Kindern wichtig sind und an denen sie weiterdenken möchten. Dabei wird auch deutlich, dass die Kinder durchaus in der Lage sind, wichtige ethische Fragestellungen selbstständig zu benennen und in den Blick zu nehmen.

Für die Weiterarbeit ergeben sich inhaltliche Schwerpunkte:

  • Wie gelingt ein gutes Zusammenleben in einer Gesellschaft und in der Welt?
  • Was ist gerecht?
  • Was ist genug?
  • Was brauchen Menschen zum Leben?
  • Welche Verantwortung haben Reiche, welche haben Arme?
  • Welche Verantwortung haben Menschen füreinander?
     


Angebote für eine Weiterarbeit nach dem Gespräch

Für die mit den Kindern erarbeiteten Schwerpunkte entwickele ich für die nächste Stunde verschiedene Angebote zur Weiterarbeit an Stationen. Diese können in Einzelarbeit oder in Kleingruppen bearbeitet werden.

Was ist gerecht? –
Kreatives Gestalten mit den Farben Weiß – Blau – Rot

Gestaltet gemeinsam drei Bilder mit den Farben Weiß, Rot und Blau. Die Farben sollen gerecht auf der Leinwand verteilt werden. Hintergrundfarbe ist jeweils eine der drei Farben.

Mögliche Fragen zum Weiterdenken oder für ein Reflexionsgespräch:

  • Ist es gerecht, wenn jede Farbe den genau gleichen Platzanteil einnimmt?
  • Wie wirken die Bilder mit den unterschiedlichen Hintergründen?
     

Was ist genug? – Kreatives Gestalten mit Farben und Formen

Jedes Kind schneidet sich eine farbige Karte und schreibt darauf, was notwendig ist für ein Zusammenleben in einer Gemeinschaft oder malt dazu ein Bildsymbol.
Alle farbigen Karten sollen in dem Kreis einen angemessenen Platz finden. Jede und jeder muss mit dem Platz einverstanden sein. Es darf nur beschnitten oder überklebt werden mit dem Einverständnis des Kartengestalters oder der Kartengestalterin.

Mögliche Fragen zum Weiterdenken oder für ein Reflexionsgespräch:

  • Was brauchen wir, damit ein gutes Miteinander gelingt?
  • Was ist gerecht und was ungerecht?
     

Was ist genug? – Gedankenspiel

Stellt euch vor, ihr sollt für einige Zeit auf einer einsamen Insel leben. Nichts als Palmen, Sand, Meer, Wasser – ein warmes Klima und es gibt ausreichend Sonne und Regen.
Was braucht ihr unbedingt, wenn ihr dort leben wollt? Was würdet ihr in den Rucksack einpacken?

  • Zehn Dinge dürft ihr mitnehmen. Schreibt eure Liste – jede und jeder für sich.
  • Warum packt ihr diese Dinge ein?
  • Wenn ihr eine Reihenfolge aufstellt – was ist das Wichtigste und worauf könntet ihr zur Not verzichten, wenn am Ende nur fünf Dinge im Boot Platz finden können?
  • Tauscht euch mit den anderen aus. Was steht auf deren Liste?
     

Mögliche Fragen zum Weiterdenken oder für ein Reflexionsgespräch:

  • Was brauchen wir unbedingt zum Leben?
  • Was ist genug?
  • Was kann man mit Geld kaufen und was nicht?
     


Textbild „Arm – Reich“

„Reiche müssten von ihrem Geld etwas abgeben, damit auch die Armen etwas zum Leben haben.“ – „Wenn die Armen zu viel nehmen, dann ist kein Geld mehr da.“ Das waren Gedanken in unserem Gespräch vom letzten Mal. Gestaltet mit den Worten arm oder Arme – reich oder Reiche ein Textbild.

Mögliche Fragen zum Weiterdenken oder für ein Reflexionsgespräch:

  • Wie groß sind die einzelnen Buchstaben?
  • Wieviel Platz nehmen sie ein?
  • Welche Farbe und Form haben sie?
  • Wo stehen die Worte?
  • Berühren sie sich?
     

Kreatives Schreiben

Suche dir eine Frage / ein Angebot aus und schreibe dazu:

  • Wie wichtig ist Geld für ein gutes Leben?
  • Wenn es überhaupt kein Geld mehr gäbe, dann …
  • Macht Geld glücklich oder unglücklich? Und wie macht Geld das?
  • Du könntest ein Elfchen schreiben zum Thema „Leben“.
     


Präsentation und Abschluss

Nach der Phase der Bearbeitung (ca. 30 Minuten) präsentieren die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeitsergebnisse und teilen mit den anderen, was sie herausgefunden haben. Sie überlegen für sich auch:

  • Was habe ich entdeckt?
  • Was haben wir entdeckt?
  • Welche anderen Fragen haben wir gefunden?
  • Was wollen oder müssen wir noch wissen?
     

Mögliche weitere Schritte sind in der Planung abhängig davon, welche Fragen und Themen bei den Schülerinnen und Schülern entstehen. Es könnten sich folgende, überwiegend an biblischen Texten orientierte Inhalte anschließen:

  • Jesusworte Mt 6,26; Lk 12,24,
  • Kornbauer Lk 12,16ff.,
  • Arbeiter im Weinberg Mt 20,1-16,
  • Werke der Barmherzigkeit Mt 25,35ff.,
  • Miteinander leben in der Einen Welt.