Perlen des Glaubens

von Christian Ceconi und Bärbel Görcke

 

Bericht über eine Konfirmandenfreizeit im Kloster Mariensee

Im Folgenden stellen wir das Konzept einer Konfirmandenfreizeit im Kloster Mariensee zu den "Perlen des Glaubens" vor. Die Erfahrungen der Jugendlichen sind in einen Gemeindegottesdienst in der St. Nicolai Kirche in Alfeld eingeflossen. Das Konzept lässt sich aber auch ohne weiteres im Rahmen einer Unterrichtsreihe als Leitmotiv geistlichen Lernens sinnvoll und mit Gewinn einsetzen. 

 

Der abschließende Gottesdienst

"Wir bitten Sie nun während der Orgelmusik die erste Station aufzusuchen." - Mit einer farbigen Holzperle in der Hand machten sich mehr als 100 Gottesdienstbesucherinnen und -besucher auf den Weg durch den Kirchenraum. Konfirmandinnen und Konfirmanden hatten an verschiedenen Orten der St. Nicolai-Kirche in Alfeld Stationen aufgebaut, die den Menschen die "Perlen des Glaubens" nahe bringen sollten. Diese Perlen hatte sich der Schwedische Bischof Martin Lönnebo als eine Art Hilfe zu Gebet und Glaubensreflexion ausgedacht.

Die Gottesdienstteilnehmenden bewegten sich durch den Gottesdienstraum und wurden durch die Konfirmandinnen und Konfirmanden im Fünfminutentakt mit Themen wie Stille, Nacht und Liebe vertraut gemacht. Ein nächtlicher Spaziergang auf knackendem Geäst wurde ebenso inszeniert wie die Stille der Wüste. Dabei wurden die Jugendlichen selbst zu "geistlichen Fremdenführerinnen", zu aktiv Gestaltenden der Verkündigung im Gottesdienst. Es war erstaunlich zu beobachten, wie sich nahezu die ganze Sonntagsgemeinde darauf einließ

 

Die vorherige Freizeit

Vierzehn Tage zuvor waren wir mit einer Gruppe Konfirmandinnen und Konfirmanden ins Kloster Mariensee gefahren mit dem Ziel, innerhalb von sechs Tagen einen umfassenden Durchgang durch die wichtigsten Themen des Glaubens zu wagen. Die "Perlen des Glaubens" definierten dabei nicht nur den Themenkanon, sondern waren zugleich praktisches Mittel zur kontemplativen Vertiefung der einzelnen Themen.
Für das, was wir in den sechs Tagen Gemeinsamkeit erlebten, spielte der Ort des Geschehens eine wesentliche Rolle.

 

Geschichte und Auftrag des Klosters

Kloster Mariensee ist eines von 15 Klöstern in Niedersachsen, in denen seit der Gründung allein stehende Frauen leben. Das 1214 erstmals erwähnte Kloster wurde für Frauen errichtet, die Teil der zisterziensischen Reformbewegung waren. Die Klöster, die die Reformation überstanden, erhielten einen neuen, innerweltlichen Auftrag: den der Bildung.1 Selbst die Gebetszeiten wurden unter didaktischer Perspektive gesehen. Dass der Bildungsauftrag der ursprüngliche gewesen sei, muss jedoch als reformatorische Verzerrung angesehen werden.2 Heute wird die theologische Sicht auf das Wesen und den Auftrag der Klöster in der evangelischen Kirche revidiert. Gleichzeitig werden die Klöster in neuer Weise zu Lernorten: bei geistlich und kulturhistorisch ausgerichteten Führungen, durch Vorträge und Seminarangebote und nicht zuletzt durch Projektwochen für Schulklassen und Konfirmandengruppen.3 

Dabei kommt zum Tragen: Klöster sind ihrem Wesen nach herausgenommene Orte und ermöglichen dadurch (Lern-) Erfahrungen jenseits des Alltags, die in neuer Weise wieder in den Alltag zurückführen.

 

Didaktische Vorüberlegungen

Unserer Erfahrung nach kommt neben dem Erwerb von Glaubenswissen und der Reflexion von Glaubenserfahrungen dem Erlernen des praktischen Vollzugs religiöser Formen eine hohe Bedeutung zu. Neben dem Einüben von Gemeinschaftsformen wie Gottesdienst und Andacht ist es uns wichtig geworden, den Jugendlichen auch Anregungen mit auf den Weg zu geben, wie sie ihr persönliches Glaubensleben gestalten können. Traditionell geprägte wie experimentelle Formen sollen dazu erprobt und geübt werden.

Bewusst haben wir uns dafür entschieden, den Jugendlichen im Rahmen der Freizeit einen Gegenentwurf zu ihrem Alltagsleben zuzumuten. Der Rhythmus des Stundengebets, Zeiten der Stille, Meditationsübungen auf selbstgebauten Gebetshockern bildeten einen sich wiederholenden Rahmen der einzelnen Tage. Gemäß dem benediktinischen "Ora et labora" wurde zugleich für körperlichen Ausgleich gesorgt: Dienste für die Gemeinschaft (Küche, Reinigungsdienst), ausgedehnte Wanderungen (z. T. auch mit dem Memorieren biblischer Verse), erlebnispädagogische Aktivitäten und ein Ausflug gehörten dazu. Arbeitseinheiten im Sinne eines klassischen Unterrichts traten dahinter zurück. Auf diese Weise haben wir Formen ganzheitlichen Lernens angewendet, die kognitive, soziale und spirituelle Komponenten integrieren.

Nur in wenigen Elternhäusern und selten in den Kirchengemeinden können Konfirmandinnen und Konfirmanden die Erfahrung machen, wie Tageslauf und geistliches Leben sich ineinander verschränken. Selbst Grundformen wie etwa das Tischgebet sind für die Mehrheit unserer Jugendlichen ungebräuchlich oder gar unbekannt. Darum verstehen wir unsere Freizeiten als Lernort, an dem das Aufeinander-Bezogensein von Gebet und Arbeit in besonderer Weise erfahren werden kann und legen ebenso im wöchentlichen Unterricht Wert auf wiederkehrende geistliche Elemente.

 

Das Konzept

Die "Perlen des Glaubens", die in den vergangenen Jahren vor allem durch Initiative der Nordelbischen Kirche4 im evangelischen (wie auch im katholischen) Bereich Verbreitung fanden, haben ihre Wurzeln in Schweden. In der Tradition von Meditationsketten wie etwa der Rosenkranz entwickelte Bischof Martin Lönnebo die "Perlen des Glaubens". Kennzeichnend ist, dass die Perlen nicht mit einem festen Gebetszyklus, sondern mit festen Themen wie "Ich", Taufe" oder "Tod" verbunden sind. Ziel im Umgang mit den Perlen ist es, aus Bibelworten, Kontemplationsübungen oder Leitfragen heraus eigene Lebensthemen und Erfahrungen mit den Themen der Perlen ins Gespräch zu bringen und zu verbinden.

Wir haben die Perlen für die Konfirmandenarbeit als Themenleitfaden benutzt und zunächst jeweils versucht, durch erlebnispädagogische Übungen, Phantasiereisen, Körperübungen oder Gespräch einen Bezug zur Lebenswelt und den Erfahrungen der Jugendlichen herzustellen. Zu jeder Perle hatten wir einen Bibelvers ausgewählt, der von den Jugendlichen memoriert wurde (z. T. bei meditativen Spaziergängen durch den Kreuzgang oder die Natur). Eine Zeit der Stille oder eine meditative Übung vertiefte jeweils das Thema. Im Gegenüber zur Arbeit mit Erwachsenen an den Themen Spiritualität und Kontemplation ist uns deutlich geworden, dass die Arbeit mit Jugendlichen ein anderes Tempo erfordert. Entschleunigung wird für sie schon durch kurze Zeiten der Stille deutlich spürbar und wird beispielsweise bei einer zweistündigen Phase des Schweigens für viele fast unerträglich. So wird manch ein Erwachsenenbildner angesichts unseres Programmentwurfs die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wir aber haben die Erfahrung gemacht, dass dieser Rhythmus für die Zielgruppe angemessen ist und "funktioniert".

Im Programm wurde bewusst die Taufperle übergangen, da diese einige Wochen später im Rahmen eines Seminartages den Anknüpfungspunkt für die Vorbereitung der Konfirmation bildete.

 

Bausteine für die Arbeit mit den Perlen des Glaubens

Die Ich-Perle: Einstieg in die Arbeit mit den Perlen des Glaubens
Die Perlen wurden mit einer Phantasiereise zu den Perlenfischern eingeführt. Alle Teilnehmenden erhielten ein Perlenarmband5, das sie während der gesamten Freizeit am Handgelenk trugen.

Mit der Ich-Perle wollten wir den Jugendlichen die in der Geschöpflichkeit begründete Unverwechselbarkeit jedes Menschen ins Gedächtnis rufen. Dazu diente zunächst ein Spaziergang in den Wald verbunden mit der Wahrnehmungsübung "Baumsuche":

Die Teilnehmenden bilden Zweier-Teams, bei denen sich jeweils eine Person die Augen verbindet. Die sehende Person führt die blinde in einem vorher definierten Waldstück zu einem bestimmten Baum. Die blinde Person hat die Aufgabe, sich durch Tasten, Fühlen und Riechen mit "ihrem" Baum vertraut zu machen und ihn so genau wie möglich wahrzunehmen. Anschließend wird sie wieder aus dem Waldstück herausgeführt und darf sehenden Auges versuchen, "ihren" Baum wieder zu finden.

Anschließend wechseln beide Personen die Rolle.

Anknüpfend an die Wahrnehmung von Besonderheit und Unverwechselbarkeit hatten die Jugendlichen im Seminarraum die Aufgabe, ihre eigene Person, zu rekonstruieren. Wir taten dies mit Hilfe der Idee des "Inneren Teams"6. Dieses Modell von Schulz v. Thun baut darauf auf, dass wie in zwischenmenschlichen Teams auch in jedem Menschen selbst verschiedene Mitspieler am Werk sind, die im Vorder- oder Hintergrund, verdeckt oder offen agieren. Manche Figuren haben einen Gegenspieler, andere sind nur zu bestimmten Zeiten aktiv. Dieses innere Team lässt sich gut in einer Skizze darstellen. Vorteil dieses Modells gegenüber anderen Persönlichkeitsmodellen ist seine Variabilität und Veränderbarkeit, die viel Raum für Weiterentwicklung lässt.

Die persönliche Skizze muss keinem offenbart werden. Bei einem Spaziergang mit der Person ihres Vertrauens können sich die Jugendlichen in Zweiergruppen über ihre Zeichnungen austauschen soweit sie das möchten.

Im Plenum wird abschließend gemeinsam der Vers: "Ich habe dich je und je geliebt." (Jer 31,3) gesprochen. In einem Schweige-Rundgang durch den Kreuzgang wird der Vers von jeder und jedem memoriert.

 

Perlen der Stille: Das Gerüst im Tageslauf

Jedes geistliche Leben erwächst aus der unmittelbaren Begegnung mit dem lebendigen Gott.
Damit aber das Feuer der Begeisterung gehütet werden kann, bedarf es der Form. Aus diesem Wissen erwuchs der klösterliche Tageslauf im Wechsel von Gebet und Arbeit ebenso wie das Rosenkranzgebet als mantrische Form mit "handgreiflicher" Hilfe, an das sich die Perlen des Glaubens anschließen.

Im Kloster begegnen die Jugendlichen in Raum und Zeit dieser Struktur: Am Kreuzgang entlang sind die Räume wie Perlen auf einer Schnur angeordnet, und immer wieder ist ein Raum des Innehaltens, wie eine Perle der Stille, eingefädelt. Auch im Tageslauf wechseln Zeiten der Arbeit, des Lernens und Essens mit den Gebetszeiten am Morgen, Mittag und Abend. Diese variieren vorhandene Formen, die an diesem Ort entstanden oder bereits erprobt sind. So können sich die Jugendlichen in eine Tradition im Blick auf Raum und Zeit einbetten.

Aus einer ersten Konfirmandenfreizeit im Kloster hatten wir gelernt, die Zahl der Gebetszeiten auf drei zu beschränken und die Gleichförmigkeit etwas zu reduzieren, indem wir die Formen zu den jeweiligen Tagzeiten unterschiedlicher gestalteten. 

Außerdem führten wir einen "Kultdienst" ein, der deutlich macht, dass der geistliche Dienst bei den Gebeten so selbstverständlich ist wie der Küchendienst. Der Kultdienst umfasste das Vorbereiten des Raumes für das Gebet, das Beten selbst aus dem Gesangbuch ausgewählter Tischgebete und das Sprechen des responsorialen Abendsegens.

Das Morgengebet dient dem Lob der Schöpfung. Es fand im Raum der Stille statt und schließt sich an das Gebet aus dem Kirchentagsliederheft an; die Körperübung ersetzt durch eine biblische Lesung und Stille.

Das Mittagsgebet bedeutet ein kurzes Innehalten auf der Höhe des Tages. Wir beteten es im Halbkreis stehend im Altarraum der Kirche. Sein Thema ist das Hören auf das Wort Gottes, vertieft dadurch, dass stets ein Teil der Lesung aus dem Morgengebet wiederholt wird. Die Jugendlichen benötigten hier nur an einer Stelle, für das Gebet von Psalm 119, ein Gesangbuch und wurden so mit dieser Form des Betens nach dem Evangelischen Gesangbuch vertraut. 

Das Nachtgebet bereitet die Ruhe der Nacht vor. Es fand wiederum im Raum der Stille statt und stellte eine Synthese mit dem auf den Abend einstimmenden Abendgebet dar.

Seit einigen Jahren wird in Mariensee ein Abendgebet gebetet, das gemeinsam mit der Kirchengemeinde entwickelt wurde. Da es auch als Wochenschlussandacht fungiert, folgt auf einen Taizégesang am Anfang ein kurzer Rückblick mit Kyrie. Diese Funktion berührt sich mit dem Eingangsteil der Komplet, dem Schuldbekenntnis, weswegen uns das Formular in dieser Form auch für ein Nachtgebet verwendbar erschien. Die Psalmodie ist in einem orthodoxen Ton gehalten, der sehr eingängig und daher leicht zu singen ist. Nach der Lesung wird ein Antwortgesang, gleichfalls im orthodoxen Ton, gesungen. Darauf folgt ein Fürbittenteil mit der Möglichkeit, Kerzen zu entzünden; im Anklang an das Luzernar aus der Vesper. Das Gebet endet mit dem Schlusslied aus der Weltgebetstagsbewegung und eröffnet so den Horizont der weltweiten Ökumene.

 

Die Wüstenperle

Die Wüstenperle lässt eine ganze Reihe von Assoziationen zu. Klassisch und auch biblisch ist der Gang in die Wüste ein Weg der Einkehr und der Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Der Weg in die Wüste ist der Weg in die Stille.

Für einige Konfirmandinnen und Konfirmanden war dies wohl die größte Herausforderung der Freizeit, bei anderen konnten wir beobachten, dass sie die Zeit der Stille geradezu auskosteten. Nach einer kurzen Einführung unter Einbeziehung des Memorierverses aus Hebr 3,7f7 wurden die Jugendlichen aufgefordert zwei Stunden in der Stille zu verbringen und dabei auch die Stille der anderen zu respektieren. Als Strukturierungshilfe konnten sie Aufgaben nutzen, die jeweils einzeln an einem vereinbarten Ort durch einen Mitarbeiter ausgegeben wurden.

Die Stille mündete ins Mittagsgebet. Wir haben uns bewusst gegen eine unmittelbar anschließende Reflexion dieser Einheit entschieden, um - wie an anderer Stelle auch - nicht einen ständigen Wechsel von Einübung und kritischer Distanznahme zur Einübung selbst zu bewirken. Die Reflexion hatte ihren Ort an einzelnen ausgewählten Punkten und in der Nachbereitung der Freizeit.

 

Die Perle der Nacht

Die Perle der Nacht erschlossen wir mit zwei traditionellen Formen: einer aus dem Bereich der Erlebnispädagogik: einer Nachtwanderung, und einer aus dem Bereich der klösterlichen Liturgie: einer Vigil. Diese leitet zugleich die Beschäftigung mit der Perle der Auferstehung ein.

Es kam hier zu einer gewissen inhaltlichen Doppelung, die wir aber im Blick auf die Intensität der Erlebnisse und nicht zuletzt auf das Datum in Kauf nehmen zu können meinten. Vor allem bei der Nachtwanderung nutzten wir nämlich den Kairos: Die Wanderung fiel in die Nacht zum Epiphaniasfest. Nachdem wir das Wohngebiet hinter uns gelassen hatten, wanderten wir eine Zeit in tiefer Dunkelheit. Dann entzündeten wir die Kerze und sprachen das Wort des Festes: "Siehe, die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt." Danach hatten wir noch einen längeren Weg, nun geleitet vom Licht, zu gehen. Den Weg hatten wir immer wieder strukturiert, in dem wir die Jugendlichen ein Stück im Schweigen gehen ließen, dann in Paaren, nach Geschlechtern gemischt, dann wieder mit frei gewählten Partnern. Da die Sammlung durch das letzte Wegstück im Wohngebiet beeinträchtigt worden war, entschieden wir uns spontan, in der Kirche eine kleine Feier der Ankunft zu gestalten. Dort leuchtete der Epiphaniasstern, und wir sangen das Wort des Festes: "Siehe, die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt." Dann begaben wir uns in den Raum der Stille zum zweiten Teil dieser intensiven Nacht.

 

Die Perle der Auferstehung

Die Idee zu einer Vigil mit den Lesungen der Passion, mit Taizégesängen und Liedern aus der Jugendkultur entwickelte sich im Verlauf der Woche. Wir hatten uns die Frage gestellt: Wo ist Raum, die Auferstehung zu feiern, da doch der letzte Tag der Vorbereitung des Gottesdienstes vorbehalten sein soll? So entschieden wir uns für die bereits erwähnte Parallelität: eine Nachtwanderung und eine Vigil.

Wir begannen mit dem Komplettpsalm 134. Die Lesungen der Passionsgeschichte wurden mit Gesängen und modernen Adaptionen der jeweiligen Themen aus der Jugendkultur ("Söhne Mannheims") vertieft. Für die Lesung der Kreuzigung begaben wir uns auf den zweiten Weg dieser Nacht: durch den Kreuzgang zum Kreuzigungsbild.

Die Vigil endete mit der Lesung von der Grablegung und dem Lied "In der Mitte der Nacht liegt der Anfang eines neuen Tags". 
Wie sehr wir selbst in die Dynamik des Geschehens hinein genommen waren, zeigte sich daran, dass wir das Morgengebet stärker als geplant als Auferstehungsfeier inszenierten. Wir nahmen den letzten Gesang der Nacht auf, lasen das Osterevangelium und schlossen daran spontan eine kleine Auferstehungsfeier mit Lichtern an.

 

Reisesegen

Wie die anderen Gebetszeiten, so folgt auch die letzte in ihrem Aufbau klassischen Vorbildern. Danach beginnt der Reisesegen mit Psalm 121, an den sich ein Gebet anschließt. Während der Tage war dieser Psalm täglich im Abendgebet gesungen worden und wurde nun an anderer Stelle aufgenommen.

So wurden die Jugendlichen angeregt, sich die Elemente, die sie in einer festen Struktur kennen gelernt haben, für ihren weiteren Weg frei anzueignen.

(Ein nicht gesteuertes Beispiel für solche Aneignung war übrigens im Kreuzgang das Pfeifen des "Mittagsgebetshymnus" "Schweige und höre" im Rap-Rhythmus.)

Im Segensgebet werden vier Perlen aufgegriffen: Die Ich-Perle, die Wüstenperle, die Perle der Nacht und die der Auferstehung.
Mit diesem Segen ausgestattet, verlassen die Jugendlichen das Kloster, um in ihrer Gemeinde zu Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung zu werden.

 

Fazit: Geistliches Leben als Lern- und Wachstumsprozess

Die Konfirmandinnen und Konfirmanden wurden im gottesdienstlichen Rahmen Zeuginnen und Zeugen des Glaubens. In den Kleingruppen des Stationsweges zu den Perlen des Glaubens gaben sie selbständig weiter, was sich ihnen zu der jeweiligen Perle erschlossen hatte. Dazu hatten sie erfahrungsorientierte Stationen selbst entwickelt, die das Thema der jeweiligen Perle entfalteten oder durch eine Handlung erschlossen. Mit selbstverfassten Texten deuteten sie das Geschehen vor dem Hintergrund des zur Perle memorierten Bibelverses.

Wir haben die Konfirmandinnen und Konfirmanden in dieser Verkündigungssituation authentisch und ausdrucksstark erlebt. Was sie mitzuteilen hatten, war nicht nur die Wiedergabe und bloße Reproduktion erarbeiteten Wissens, es war nach unserer Wahrnehmung weit mehr das Teilen von Glaubenserfahrungen. Gerade das hat die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher angesprochen und bewegt.

Neu für uns war die völlige Auflösung des Verkündigungsteils in einen Pilgergottesdienst im Rahmen des Zehn-Uhr-Gottesdienstes am Sonntagmorgen. Wir waren überrascht wie offen und interessiert sich die Gemeinde auf den Weg der Erfahrung einließ.

Mit vier Monaten Abstand berichteten die meisten Konfirmandinnen und Konfirmanden, dass ihr Perlenarmband nach wie vor in Reichweite liegt. Viele von ihnen nehmen es immer mal wieder in die Hand. Nicht wenige konnten auch mit diesem Abstand noch die den Perlen zugeordneten Bibelverse wiedergeben. Einig sind sich alle Teilnehmenden, dass es sich um eine intensive Zeit handelte. Eine Konfirmandin, die sich auf die Taufe vorbereitete, erlebte den Klosteraufenthalt als prägende und erfüllte Zeit.

Perlen des Glaubens


 


M 1

Morgengebet 
Eröffnung: Lebensweisen, S. 104
Psalmgebet: Psalm 8, a. a. O. 
Lesung
Stille
Lied: Lebensweisen 19
"Den Segen Gottes sehn"
Vaterunser
Gebet 
Segen

Mittagsgebet 
Lied: "Schweige und Höre" 
Psalm 119, EG 748
Lesung
Stille
Vaterunser
Segen

Nachtgebet 
kann im Kloster Mariensee als 
"Marienseer Abendgebet" angefordert  werden.
Lied: Laudate omnes gentes
Eingangsgebet mit Kyrie
Psalmgebet: Psalm 121 im orthodoxen Ton
Lesung
Responsorium im orthodoxen Ton
Stille
Fürbittgebet mit der Möglichkeit, 
Kerzen zu  entzünden
Vaterunser
Segensgebet
Lied: Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder

 

Reisesegen

Unser schöpferischer Gott, der dich ins Leben gerufen hat, erhalte deine Ohren geöffnet für seine Stimme.

Unser Gott, der dich in der Wüste geleitet hat, am Tag in der Wolkensäule, des Nachts in der Feuersäule, helfe dir, deine Augen offen zu halten für seine Zeichen.

Gott begleite dich in den Nächten deines Lebens, sei dir nahe bei allem, was dir Angst macht und lasse dir daraus Neues Leben erwachsen.
Der Ewige Gott, der da ist das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte und der Lebendige, sei mit dir auf dem Weg. Er segne deinen Ausgang und deinen Eingang, von nun an bis in Ewigkeit.

So geleite dich der gnädige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

 

M 2

Geh in die Kirche
Vor dem Altar steht die Schale mit Sand für die Gebetskerzen. Daneben steht ein Korb mit Kerzen.
Zünde eine Kerze an für einen Menschen der dir wichtig ist oder der dein Gebet braucht.
Verbringe eine Zeit vor der Kerze und denke an diesen Menschen. 
Du kannst für ihn beten.
Lass dir Zeit!

Geh an einen stillen Ort 
(z.B. in dein Zimmer, in den Kreuzgang oder nach draußen).
Nimm dein Gesangbuch mit. 
Dort findest du unter Nr. 711 den 23. Psalm.
Lern ihn auswendig!

Geh in den Raum der Stille
Verbringe dort eine Zeit der Stille.
Du kannst dabei auf dem Gebetbänkchen sitzen oder auch auf dem Boden.
Bleib in der Stille so lange du kannst.
Zieh dich warm an und geh zum Klostergarten
(Du findest ihn hinter der Brücke zum Wald auf der linken Seite.)
Geh hinein und mach einen Spaziergang durch den Garten. Vielleicht entdeckst du trotz Frost und Schnee etwas Interessantes oder Schönes.
Lass dir Zeit!

Im Raum, wo die Perlen des Glaubens auf dem Boden ausgelegt sind, steht Musik für dich bereit
Wähle aus der Liste ein Musikstück aus, das du hören möchtest und genieß die Musik.

[Als "Joker" für alle, die vor der Zeit ihre Aufgaben erledigt hatten, diente der Auftrag: Suche dir einen Ort im Kloster oder im Garten, wo Du den Rest der stillen Zeit für Dich alleine verbringst.]

 

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Maier-Knapp-Herbst, Sigrid: Zum Geleit, in: Region Hannover, Ev.-luth. Sprengel Hannover (Hg.) Kirchen, Klöster, Kapellen, Hannover 2005, S. 11.
  2. Vgl. dazu insgesamt: Schlotheuber, Eva: Klostereintritt und Bildung. Die Lebenswelt der Nonnen im späten Mittelalter, Tübingen 2005.
  3. Vgl. dazu Görcke, Bärbel, "Höre, Tochter, und neige dein Ohr…" (Ps 45,11a).Christliche Gemeinschaften in den Lebensläufen evangelischer Frauen, in: Lernort Gemeinde, 23. Jahrgang, 4/2005, sowie www.kloster-mariensee.de.
  4. Vgl. www.perlen-des-glaubens.de.
  5. Denkbar ist auch, das Armband selbst herzustellen und die Perlen nach und nach zu sammeln, bis ein komplettes Armband entstanden ist. Wir haben uns aus pragmatischen Gründen dafür entschieden, die vollständigen Armbänder zu verteilen und damit gute Erfahrungen gemacht. Die Perlen an sich erzeugen genug Lernspannung. Bezugsquelle für das Armband siehe www. perlen-des-glaubens.de.
  6. Vgl. Schulz v. Thun, Friedemann: Miteinander reden Bd.3. Das "innere Team" und situationsgerechte Kommunikation, Reinbek 1999. Insbesondere S. 21-44.
  7.  Hebr 3,7f: Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verschließt eure Herzen nicht.

Text erschienen im Loccumer Pelikan 3/2006

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