Erfahrungsgemäß zeigen Kinder bereits früh großes Interesse an Kirchenräumen als "Orten gelebten Glaubens", an der Kunst und an Gebrauchselementen im Kirchenraum. Dem Altar als dem Zentrum gilt die besondere Aufmerksamkeit sowohl von seiner Funktion als auch von seiner künstlerischen Gestaltung her. Der Peter- und Paul-Altar, dessen Seitenflügel sich in der Niedersächsischen Landesgalerie in Hannover befinden, ist auch kirchenpädagogisch bedeutungsvoll, da sein Hauptteil in der Lambertikirche in Hildesheim in Gebrauch ist. Die hier beschriebene Arbeit sieht die Möglichkeit der Einbeziehung der Lambertikirche mit vor, sie setzt diese jedoch nicht voraus.
Die Gedanken und Impulse für die religionspädagogische Arbeit sind so von der Lehrerin bzw. vom Lehrer einzuplanen, dass sie teilweise direkt unter Einbeziehung des Originals im Landesmuseum in Hannover oder in der Lambertikirche in Hildesheim umgesetzt werden. Vieles kann dann allerdings in der Nacharbeit im Klassenraum besser bewältigt werden.
Sicher gibt es gute Möglichkeiten, andere, vor Ort befindliche Altäre auf diese oder ähnliche Weise zu bearbeiten.
Ausgewählte Informationen zum Bildprogramm
Der Peter- und Paul-Altar wurde um 1420 von einem unbekannten Meister gemalt. Es handelt sich um mittelalterliche Tafelmalerei, Figurenbilder auf Goldgrund und Tempera auf Eichenholz. Der ursprüngliche Flügelalter erhielt seinen Namen nach Bildern der Apostel Paulus und Petrus. Charakteristisch für seinen "Weichen Stil" (sog. internationaler Stil bzw. internationale Gotik) sind u.a. intensive Farben, plastisch und elegant dargestellte Figuren mit fließenden Faltenwürfen, die an Eigenleben gewinnen, Charakterzüge zeigen und auf einem Goldgrund durch die Zugabe von schmückenden Architekturelementen zu räumlichen Situationen erweitert werden.
Der Altar gehört zu dem Typus der in Deutschland im 14. Jahrhundert üblich gewordenen Wandelaltäre, der durch eine Einteilung in eine erzählerische hier 19-teilige Bildfolge geprägt wird. Die beiden Flügel sind innen und außen in je vier fast quadratische Bildfelder gegliedert, worauf sich ursprünglich 16 Szenen befanden. Die feststehende Mitteltafel umfasst fünf Szenen, das große Mittelbild und je zwei seitlich übereinandergesetzte Szenen. Die Leserichtung verläuft zeilenartig von links oben nach rechts unten. Durch Öffnen und Schließen ist eine Verwandlung der Ansichten liturgisch möglich. So konnten die Flügel an bestimmten Festtagen des Kirchenjahres zur Zelebrierung einer Messe geöffnet werden.
Im 19. Jahrhundert wurde der Altar zerlegt und an verschiedene Museen in Braunschweig, Hannover und Hildesheim verkauft.1
Zu den Bildtafeln
Hier beschränken wir uns auf die Bildtafeln in der geöffneten Ansicht (M1).
Bei geöffneten Flügeln ist auf der sogenannten Festtagsseite ein christologisches Bilderprogramm mit insgesamt 13 Szenen von der Passion und Auferstehung Christi, über das Pfingstwunder bis zum Weltgericht zu sehen. Die Mitteltafel bildet mit ihrem dreizehnten und größten Bildwerk das Hauptbild des Altars.
Die Innenseite des linken Flügels:
Alle vier Bildfelder dieses Flügels sind durch auf- und absteigende Schrägen zueinander in Beziehung zu setzen.
Abendmahl (1)
Um einen runden Tisch sitzen Christus und seine Jünger versammelt, Petrus zu seiner Rechten. Christus reicht Judas einen oblatenförmigen Bissen, Trinkgefäße sind eindeutig als Kelche ausgebildet. (Mk 14,12-25, Mt 26,17-30, Lk 22,7-23)
Fußwaschung(2)
Christus wäscht Petrus die Füße – Zeichen des Bußsakramentes, aber auch der Eucharistie. (Joh 13,1-20)
Gebet am Ölberg (3)
Christus kniet betend vor einem Kelch, links schlafen die drei ihn begleitenden Jünger. Petrus zuoberst. (Mk 14,32-42, Lk 22,39-46, Mt 26,36-46)
Gefangennahme Christi (4)
Tumultartig geht es hier zu: Christus wird mit Faustschlägen traktiert, heilt aber gleichzeitig Malchus, dem Petrus vorher ein Ohr abgeschlagen hat. (Mk14, 43-52, Mt 26,47-56, Lk 22,47-53, Joh 18,1-11)
Die Mitteltafel:
Die bedeutende und großproportionierte Mitteltafel (133cm x 288cm) zeigt die Kreuzigung Christi als ein Hauptbild, das durch vier kleinere Bilder eingerahmt wird. Ihre reiche Farbigkeit unterstützt das Geschehen.
Christus vor Pilatus (5)
Pilatus wäscht seine Hände "in Unschuld". (Mk 15,1-5, Mt 27,1-14, Lk 23, 1-5, Joh 18,28-40)
Kreuztragung (6)
Christus hat das überlange Kreuz aus dem Stadttor herauszutragen; nur der Balken befindet sich noch im Bild, Christus selbst ist schon in die Mittelszene eingezogen. (Joh 19,17)
Kreuzigung Christi (7)
Mehrere Gruppen und Einzelszenen sind zu entdecken. Im Zentrum steht das Kreuz Christi, zu dem ein Weg von der Szene der Kreuztragung führt, vorbei an Veronika und der Gruppe der drei Marien sowie an Maria Magdalena und dem Jünger Johannes. Zurückgesetzt sind die beiden anderen Kreuze. Auf der gegenüberliegenden Seite sind die Zuschauer versammelt. Unten im Bild würfeln die Knechte um den Rock Christi. Drei Engel, die Christi Blut in Kelchen auffangen, verweisen auf die eucharistische Bedeutung des Todes Christi.
Beweinung Christi (14)
Hier geht es um die Trauer der Mutter Maria, die in einer vorderen Bildebene den toten Sohn quer über den Schoss gelegt hält. (Mk 15,40-41, Mt 27,55-56, Lk 23,27-31, 48-49)
Grablegung Christi (15)
Der Leichnam wird in einen Sarkophag gehoben. Nikodemus empfängt ein Salbgefäß zur Vorbereitung der Bestattung. (Mk 15,42-47, Mt 27,57-61, Lk 23, 50-56, Joh 19,38-42)
Die Innenseite des rechten Flügels:
Wie die linke weist auch diese Flügelinnenseite kompositionelle Übereinstimmungen der diagonal zugeordneten Bildfelder auf.
Auferstehung Christi (16)
Christus entsteigt dem Sarkophag, dessen Deckel von vier Engeln gehalten wird.
Christi Himmelfahrt (17)
Nur die Beinpartie des entschwebenden Christus ist zu sehen. Maria und Petrus sind als Zuschauer in der Mitte hervorgehoben.
Pfingstwunder (18)
Auch hier bei der Aussendung des Heiligen Geistes nimmt Petrus neben Maria eine besondere Position ein.
Weltgericht (19)
Christus thront auf einem zweifachen Regenbogen, zu seiner Rechten Johannes der Täufer und Maria. Zwei Posaunenengel rufen zur Auferstehung. Die Verstorbenen erheben sich aus den Gräbern.
Zum Unterricht
Im Materialteil werden kurzgefasste Anregungen für Gespräche im Unterricht (M2) und einige Arbeitsaufträge für die Unterrichtspraxis (M3) gegeben, die je nach den örtlichen Gegebenheiten und nach der Planung des Unterrichts im Klassenraum, in der Kirche oder im Museum wahrgenommen werden können. Die Ideen, die bei der Besichtigung eines oder mehrerer Altarbilder aufkommen, sind oft erst im Klassenraum zu realisieren. Dabei geht die Weiterarbeit z.T. weit über die Arbeit am konkreten Altarbild hinaus. Religionspädagogisch interessant ist insbesondere Punkt 8 unter den Gesprächsanregungen (M2), da hier ein Thema, das Jesus in seinem Reden und Handeln in vielfacher Weise aufgegriffen hat, kreativ in heutige Verhältnisse und in das Denken der Kinder hineingeholt wird und so ein Lernprozess initiiert werden kann.
M 1
Das Bildprogramm des Peter- und Paul-Altars
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9 Gebet | 10 Gefangen- | 12 Kreuz- |
| 15 GrablegungChristi | 18 Pfingst- | 19 Weltgericht |
M 2
Wenn nicht jeder meint, er müsse der Größte sein, sondern sich so verhält, dass das den anderen gut tut, kann das wohltuend für die Gemeinschaft sein. |
M 3 1. Schreibt auf, wer sich normalerweise im Altarraum aufhält und was dort geschieht. Möglicherweise müsst ihr dazu an einem Gottesdienst teilgenommen haben oder teilnehmen. 2. Male selbst eine Bildergeschichte zu einer von dir ausgewählten biblischen Geschichte! An den Bildern des Altars kannst du sehen, dass Gold eine große Rolle gespielt hat. Überlege, an welchen Stellen du Gold verwenden willst! 3. Versucht herauszufinden, welche Szenen auf den einzelnen Tafeln des Peter- und Paul-Altars gemalt wurden. Vielleicht müsst ihr jemanden fragen, wo ihr die entsprechenden Geschichten findet. Lest sie dann nach und schreibt für jede eine Überschrift in einen von euch angefertigten Plan. 4. Wenn ihr ahnt, welches Stück im Mittelteil fehlt (das in Hildesheim hängt), malt selbst ein Bild für die mittlere Altartafel. Ihr könnt entscheiden, ob das jede und jeder für sich allein tut, oder ob ihr zu zweit oder sogar zu dritt ein großes Gemeinschaftsbild anfertigt. 5. Malt eine Tischgemeinschaft, wie sie auf der linken Seite zu sehen ist. Wählt dabei möglichst solche Farben aus, die in dem Altarbild nicht verwendet wurden. Betrachtet eure Bilder gemeinsam und beschreibt, was sich verändert hat. 6. Schneidet Bildelemente aus einer Kopie aus und gestaltet damit eine ganz neue und festliche Tischgemeinschaft. Erfindet einen treffenden Bildtitel zu der Collage. Vergleicht die Ergebnisse mit dem Original und untersucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Differenzierung: Fügt Dialoge in Form von Sprechblasen ein, gestaltet Folgebilder (Comic). Materialtipp: Buttermilchkreide, Jaxonkreise 7. Bringt euch von zuhause alte Gewänder und fließende Stoffe mit. Hängt sie euch um und stellt eins der Bilder nach. Vorher muss eine oder einer von euch zum Baumeister ernannt werden, der das fertige Bild umbauen oder korrigieren darf. Diejenigen, die nicht am Nachstellen des Bildes beteiligt sind, dürfen nun nach der Methode des "Doppelns" jeweils hinter eine Gestalt treten und für sie Gedanken äußern oder Fragen stellen. |
Anmerkung
- Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig/ Niedersächsisches Landesmuseum Hannover/ Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim
Literatur
- Drei Tafeln des Peter- und Paul-Altars aus der Lamberti-Kirche in der Neustadt von Hildesheim. Hrsg.: Kulturstiftung der Länder in Verbindung mit begünstigten Museen: Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig/ Niedersächsisches Landesmuseum Hannover/ Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim. Hannover: Neue Medien, 2000
- Margarete Luise Goecke-Seisch/ Frieder Harz: Komm, wir entdecken eine Kirche. Räume erspüren, Bilder verstehen, Symbole erleben. Tipps für Kindergarten, Grundschule und Familie. München, Kösel, 2001
- Lena Kuhl/Antje Döpking: Passion und Ostern: Mit Materialien für die "Freie Arbeit". Loccum, Religionspädagogisches Institut, 1995